"Kriemhilds-Lied"  -  um den Text einordnen zu können, ist eine knappe Hinführung dienlich, und so fasse ich die Szenerie im Nibelungenlied grob zusammen:
Kriemhild ist die wunderschöne Schwester von Gunter, dem Burgundenkönig, der eines Nachts träumt, sie hätte einen Falken großgezogen, den dann Adler verfolgt und in der Luft zerrissen hätten. Verängstigt eilt sie nächtens zu ihrer Mutter, die ihr deutet, der Falke sei ein Bild für ihren zukünftigen geliebten Mann, der ermordet würde (was dann ja auch so kam, - Siegfried).
Ich stelle mir die Gedanken Kriemhilds im Anschluss an diese Traumdeutung vor. Sie ist hin- und hergerissen vom einerseits Wunsch nach einem Gefährten und andererseits der Angst vor Kränkung und Enttäuschung, und sie will ihren Bindungswunsch loslassen, indem sie sagt „Du mein Falke flieg, bleib in meiner Phantasie, ich begehre dich im Leben nie“.

 

1.  Wieder vergeht ein Winter
von den Dächern tropft das Eis
jedes Jahr gleich, doch immer neu, 
so zärtlich und so leis

in allem erwacht ein Sehnen
alles gibt und nimmt zugleich
ach, könnt ich doch daran glauben, 
wär ich hoffnungsvoll und weich

so gäb es nur die Hoffnung        
dass mich mein Sehnen trägt        
wie gerne würd ich geben
abstreifen würd ich was mich hält

Ref.  Du mein Falke flieg
bleib in meiner Phantasie
ich begehre dich im Leben nie

wirst deine Kreise ziehn
in meinem Traum erblühn
bist doch nur einem Wunsch entliehn

2.  Ich wollt, ich könnte fliegen
mit meinem Falken, Hand in Hand
ich würde mich in seine Schwingen
fallen lassen ganz

dann würden wir drüber schweben
über Ängste, über Leid
wir würden unser Leben lieben, 
ohne Hass und ohne Neid

ach gäb es nur das Lieben
das Leiden aber nicht
wie gerne würd ich geben
abstreifen würd ich was mich hält

Ref.  Du mein Falke flieg  . . .    

3. Mit einem Falken an der Seite
wirst du im Leben ganz
er schenkt dir Ruhm und Ansehn, 
seine Macht und seinen Glanz

doch wer sich nicht drauf einlässt
der wird auch nicht bestraft
ich leb für mich mein Leben, 
will nicht Lieb noch Leidenschaft

so gäb es nur die Hoffnung        
dass mich mein Sehnen trägt        
wie gerne würd ich geben
abstreifen würd ich was mich hält

Ref.  Du mein Falke flieg  . . .

4.  Nur dem erwacht ein Morgen
voller Hoffnung, voller Freud
der die Zweifel und die dunkle
Tränenfahrt nicht scheut

So wachse, mein liebes Leben
nimm mir alles, was mir war
lass mich in dich reifen, mach
mich dunkel, mach mich klar

ach gäb es nur das Lieben
das Leiden aber nicht
wie gerne würd ich geben
abstreifen würd ich was mich hält

Ref.  Du mein Falke flieg  . . .